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Ein Soldat und sein PTBS- Assistenzhund

Gedanken des Soldaten:

Heute ist die Nacht von Samstag auf Sonntag. Noch 13 Tage bis Heiligabend. Zeit zum "Wunden lecken", unsichtbare Wunden. Die körperlichen Auswirkungen des gestrigen rasanten Vorstoßes in die Gesellschaft, die wir lernen müssen, zu akzeptieren und die lernen muss, uns zu akzeptieren, so wie wir sind...

Ich bin ein Soldat,der an den Folgen eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr unter anderem an PTBS und Agoraphobie erkrankt ist. Mit meinem PTBS-Assistenzhund Emma bilden wir zusammen ein Team namens "Echo Sierra".

Seit September diesen Jahres trainieren wir täglich, noch abseits der Gesellschaft, für ein integriertes Leben. Emma war und ist nun schon über zwei Wochen zum Intensivtraining im urbanen Gelände, 24 Stunden an der Seite unserer Trainerin. Gestern und Vorgestern war für Echo Sierra dann Feuertaufe. Gemeinsam können wir diesen Spagat zwischen den Welten schaffen. Der Plan war relativ einfach, kurz und präzise gestrickt, so gab es wenig Möglichkeiten für mich, die Spur zu verlassen.

Wir müssen niemandem etwas beweisen, gar nichts! Wir müssen durchhalten, auch diesen Tag, wie so viele vergangene. Emma soll und wird endlich diese Lücke, die unüberwindbar scheint, schließen.

Autobahn, Parkhaus, bis hier läuft alles wie eine routinemäßige Fahrt zum Arzt oder zur Therapie. Zwischendurch schieben sich immer wieder, an Stellen, wo es schier keine Fluchtmöglichkeiten gibt, Flashbacks ein. Rote Ampeln, geschlossene Bahnübergänge oder ein einfacher Stau können mich schnell aus der scheinbar kontrollierten Verfassung bringen.

Das Zwischenziel ist längst erreicht, die Fahrt verlief ohne für mich nennenswerte Zwischenfälle, eine kurze Pause zwischendurch hatte schnell die Lage entspannt - jahrelanges Training oder eingefahrene Verhaltensmuster eben. Der planmäßige Weg vom Parkhaus zum mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Rostock zieht sich. Die Umgebung scheint unwirklich, ich setze alles in Emma, die Trainerin nehme ich kaum wahr.

Meine Ressourcen scheinen schon zu Beginn verbraucht. Emma leistet ganze Arbeit. Wir müssen ein Team auf einer ganz neuen Ebene werden. Ich muss lernen, dem Hund nahezu bedingungslos zu vertrauen. Locker lassen funktioniert nicht, mein Körper ist total angespannt. Emma kümmert sich um den Weg, ich mich um mich selbst. Und schon ist das nächste Etappenziel erreicht: Zigarettenpause vor dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt.

Wir treffen auf das zweite Team aus Neubrandenburg, auf das ich mich in der knappen Zeit vorbereitet hatte. Emma führt mich fantastisch über den Markt. Ich bekomme außer den Gerüchen, die sich eilig in Gestank verwandeln, erst mal wieder nicht viel mit. Hütten, Leute in für mich gehüllte „Lumpen“, Modder. Es rattert wieder im Kopf, nahtlos legt sich wie ein klebriger, schleimiger Schleier der Gestank als Geschmack im Mund und Rachen ab. Nichts kann ich dagegen tun. In den letzten Jahren waren Eukalyptusbonbons oder anderes der Renner, im Ergebnis mäßig oder ohne Erfolg. Die Flashbacks nehmen so tagsüber, getriggert beispielsweise durch einen anfänglichen Geruch, ihren Lauf.

Ich bin müde. Die Vorbereitungszeit für unsere Feuertaufe war knapp. Fahrstrecke, Parkhaus, Zugangswege, Weihnachtsmarkt, Fluchtwege, das zweite Team, die dritte Trainerin und reichlich Medikamente. Die „Erkundung“ von meinem sicheren Ort aus ist bis jetzt nur über die digitale Welt möglich gewesen. Den Blick jetzt vom Boden weg bekommen, Emma nun als Teammitglied zu akzeptieren, nicht mehr in Vermeidungshaltung gehen. Sachte zieht Emma, sucht den Kontakt zu mir. Irgendwann verstehe ich akustisch die Trainerin wieder, bin aufnahmefähig. Emma gibt Sicherheit, der Ausgang wartet, zielstrebig aber nicht überhastet setzt Echo Sierra seinen Weg Richtung Ausgang fort.

Die Menschen an den Ständen verkaufen mehr oder weniger nützliche Dinge. Sie geben sich viel Mühe, den Besuchern eine mittelalterliche Welt in scheinbarer Harmonie zu vermitteln. An einer Hütte auf dem Markt gibt es Kerzen. Kerzen in allen Variationen. Wir brauchen keine Kerzen, wir brauchen Informationen, dafür wird bezahlt.

Ich sehe andere Bilder:

Keine Gegenstände die es sich auch nur lohnen würde, zu verkaufen. Bittere Armut, verzweifelte Menschen, verdreckte Kinder. Kein Strom, kein fließendes Wasser, keine medizinische Versorgung. Mitten in Europa, in einem heute sicheren Herkunftsland ist die Minenlage noch immer oft unklar. Die Menschen haben einen ganz bestimmten Geruch, den man einfach nicht beschreiben kann. Anfangs vielleicht abstoßend, im Laufe unserer Arbeit dann Normalität. Menschliche Nähe gehörte oft zu unserem Job und öffnete Türen zu Welten, zu denen wir sonst keinen Zutritt hätten. Desinfektionsmittel gehören zur Standardausrüstung in jedem Fahrzeug und der Verbrauch ist enorm! Keine Musik, keine Touristen, einfach Stille...

Selbst nach über einem Tag nach diesem Training vermag ich die Gedächtnislücken nicht zu schließen. Ich finde mich mit Emma in einem Café wieder. Scheinbar irrsinnige Zeitsprünge, die ich einfach nicht nachvollziehen kann, nur den absoluten Kontrollverlust. Ein Zeichen, dass mein Dasein ohne die Familie und die Akzeptanz der Gesellschaft nicht gewährleistet ist. Ich bin auf Hilfe angewiesen. Mit Emma gehen wir nun einen für andere Streitkräfte, vor allem NATO- Partner, nicht neuen Weg, der auch in Deutschland Fuß fassen wird.

Wir verstecken uns aus vielen Gründen. Die Angst vor der Gesellschaft und die Angst, die Gesellschaft würde uns nicht verstehen. Die Angst davor, uns wieder und wieder erklären zu müssen. Die Ängste sind begründet. Auch bleiben wir in unserer Deckung, aus Angst, die Aggressivität könnte sich unkontrolliert entladen. Wie wird das Umfeld damit umgehen? Andere Verhaltensmuster schlummern in uns, die die Gesellschaft unter Umständen nur schwer ertragen könnte.

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